Donnerstag, 5. November 2009

Mord in Trieste

Grand Hotel Ducha d' Aosta
Ich wohne in dem so genannten großen Gasthof, einem Hause von gewaltigem Umfange und dem nehmlichen, worin Winckelmann von seinem meuchlerischen Bediensteten ermordet wurde. Meine Aussicht ist sehr schön, nach dem Hafen, und vielleicht ist es das nehmliche Zimmer, in welchem das Unglück geschah. Die Geschichte ist hier schon ziemlich vergessen.

J.G. Seume, "Spaziergang nach Syrakus", insel taschenbuch 2780, Inselverlag 2001, S.79


Straßenschild in Trieste

Es ist kalt, es wird früher dunkel. Macht Euch einen heißen Kakao und ich erzähle Euch die Geschichte:

Am 8. Juni 1768 sitzt Johann Joachim Winckelmann in Trieste fest. Er ist von Wien her gekommen und hat in der Locanda Grande Quartier bezogen. Es ist ein kolossales Wirtshaus, das auf seiner Tradition bis ins 3.Jahrhundert zurück belegbar ist. Winckelmann wartet hier auf ein Schiff, das ihn nach Ancona bringt, von wo aus er nach Rom weiter reisen will. Sein Zimmernachbar ist Francesco Arcangeli. Der ehemalige Koch war aus seinem Dienst in Wien entlassen worden, weil er beim Stehlen erwischt worden war und dürfte sich eigentlich auf österreichischem Territorium, wozu Trieste gehört, nicht aufhalten. Aber die Habsburger sind hier nicht sonderlich beliebt und so genau nimmt man es wohl nicht. Winckelmann lädt Arcangeli in sein Zimmer ein. Er zeigt ihm die goldenen und silbernen Münzen, die ihm die Kaiserin Theresia für seine Verdienste geschenkt hat. Warum auch immer er das tut, Francesco versucht ihn mit einem Seil zu erdrosseln, um an die Münzen zu gelangen. Winckelmann geht zwar schon auf die 51 zu, ist aber kräftig und weiß sich zu wehren. Als der Versuch misslingt, sticht Arcangeli siebenmal auf Winckelmann ein und allein fünf der Stiche bringen ihm tödliche Verletzungen bei. Trotzdem lebt Winckelmann noch 6 Stunden und kann detailliert den Tathergang beschreiben und sein Testament verfassen. Der flüchtige Täter wird gefasst, es kommt zu einer erstaunlich genauen Untersuchung und einer sehr gewissenhaften Prozessführung, deren Akten heute noch erhalten sind. Der Täter wird zum Tode auf dem Rad verurteilt und das Urteil am 20 Juli 1768 vollstreckt.

Seume nächtigte also knapp 40 Jahre später in eben diesem Hotel. 1847 wurde das Gebäude abgerissen und an seiner Stelle 1873 das heutige Grand Hotel Ducha d'Aosta (so heißt es seit 1973)erbaut.
Das Hotel befindet sich direkt an der großen Piazza dell' Unita d' Italia und führt 4 Sterne im Schilde. Ein anderes Mal gerne.


Das Hotel ist das zweite Gebäude von rechts mit den durchgängigen Lichtbändern

Als Seume hier ankam, war Winckelmann bereits vergessen. 1808 begann Domenico Rosetti, sich mit dem Prozess und den letzten Lebenstagen Winckelmanns zu beschäftigen. Ihm ist es auch zu verdanken, dass 1822 ein Denkmal errichtet wurde, das man 1833 auf dem Friedhof der Kathedrale aufstellte. Das Denkmal steht heute in einem Anbau des Museums für Archäologie im Lapidarium.

Lapidarium, das Grabmal ist in dem Gebäude mit dem Portikus


Grabmal Winckelmanns
Die Blumen links auf dem Sockel sind "Dem größten Sohn der Stadt Stendal" gewidmet.


So, das kommt davon, wenn man viel Zeit und einen Internetzugang hat. Bedankt Euch bei Wikipedia.
Morgen fahre ich mit Bahn und Bus bis Grado, wo ich drei Nächte bleibe und Probewanderungen unternehme. Am Dienstag geht es dann wieder zu Fuß weiter.
Es ist genau zwei Monate her, dass ich in Grimma gestartet bin. Ich bin bisher nach meiner Rechnung 893 km in 29 Tagen gewandert. Nicht mal die Hälfte der Zeit war ich unterwegs, eigentlich habe ich nur Urlaub gemacht.

Noch ein Wort zu busuu.com und meiner Euphorie bei der ersten Meldung. Nach 7 Tagen erlischt die Probe-Premium-Mitgliedschaft. Ich habe jetzt keinen Zugriff mehr auf die Grammatiklektionen. Vokabeln lernen und Kontakte mit Muttersprachlern sind weiter gratis. Alles andere kostet 10€ im Monat.

Eins noch: Ich bin liquide, das Geld ist wieder da, die Bank hat alles zurück gebucht.

Ein paar Abschlussbilder von Trieste gibt es zum Schluss. Mal sehen, wann ich mich wieder melden kann.
Vier Mädels am Meer, im Hintergrund am Horizont die schneebedeckten Alpen

James Joyce lebte einige Zeit hier

Heimatgefühle
Mond über der griechisch-orthodoxen Kirche



Bis bald! Thomas (17.30 Uhr)




2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Oh danke, lieber Thomas, für die schönen Bilder und die Geschichten dazu. Das habe ich gebraucht und krieg gleich Lust, mir mal wieder einen Krimi zu schnappen. (Gestern hatte ich mein Wochendendtief im Tal der Tränen, heute fühle ich wieder Sonne im Herzen ;-)
Ich drück die Daumen, dass das Probewandern klappt, damit es für dich weitergehen kann!
Alles Liebe,
Pe

Uta hat gesagt…

Da bin ich wieder, lieber Thomas, meine Sizilienreise ist leider schon vorbei. Du hast noch viel Schönes vor dir, und ich hoffe, dein Bein spielt mit, denn ich habe dir unter der einzigen Bank mit Blick auf das griechische Theater eine winzige "Erfrischung" untergeschoben und außerdem für dich in das Ohr des Dionysos etwas geflüstert,das du in einigen Wochen hoffentlich noch spürst: Es ist ein Klassiker, den du erraten musst.Kannst du sie noch?
Mein "Hauptsitz" in sizilien war in Taormina, da sind wir auch ein wenig gewandert und ich habe mir auch gleich am ersten Tag eine dicke Blase am Fuß geleistet, so dass ich mir "leider" noch ein Paar neue italienische Schuhe kaufen musste, so ein "Pech"!
Also ich wünsche dir, dass deine Füße und Beine nun endlich mitsoielen und wir noch weitere wunderschöne Bilder und Geschichten von dir sehen und lesen.
Pass gut auf dich und liebe Grüße
Uta