Achtung Historie! Heute gibt es eine Menge olle Steine zu sehen, aber auch herrliche Natur.
Der Reihe nach:
Ich hatte ja versprochen, noch ein Bild von Palma di Montechiaro zu machen, hier ist es.
Es gibt sicher sehenswertere Ecken, die Stadt ist auch eine Gründung der Griechen (zumindest nahe bei) und mein B&B war auf jeden Fall sehr schön. Aber auf die Frage, ob ich nicht noch ein oder zwei Tage bleiben wolle, fiel mir kein Grund ein. Das B&B Terra del Gattopardo ist ein Drittel einer Reihe von drei Häusern. Schick verputzt, modern und exquisit eingerichtet. Große Zimmer, sechs an der Zahl, Swimmingpool, Terrasse und unten ein schöner Raum mit zwei großen bequemen Ledersofas. Ich hatte es mir am Nachmittag gerade unten gemütlich gemacht, da ich der einzige Gast war. Da rückte plötzlich die Familie, die im unverputzten Nebenhaus wohnt, zum Fernsehgucken an. Drei Töchter und die Mutter nebst Opa. Hier steht für die Gäste nämlich ein riesiger Flachbildschirm mit sky-Empfang. Als ich abends vom Essen kam, marschierte just in diesem Moment wieder die Familie rüber. Diesmal waren die kleinen Töchter schon im Schlafanzug. Der Fernseher lief dann bis Mitternacht. Was machen die eigentlich, wenn die Zimmer alle vermietet sind?
Der Herr des Hauses fragte mich am nächsten Morgen von sich aus nach dem Müll auf den Straßen und meinte dann, dass das eben so wäre. Genau mit dieser Einstellung bleibt es garantiert auch so.
Übrigens hat mich kurz vor Palma das erste Mal in der ganzen Zeit jemand gefragt, ob er mich mitnehmen kann. Ich habe natürlich (!) abgelehnt und bin die letzten Kilometer auch noch gelaufen.
Gestern ging ich nach San Leone. Parallel zur Schnellstraße wies mein Navi eine Straße aus, die sich als lehmige Rutschbahn (allerdings fast völlig hundefrei) herausstellte. Es hatte offenbar in der Nacht heftig geregnet.
Der nächste Teil des Weges führte auf der alten Straße, die durch die neue Schnellstraße begradigt worden war, durch Felder und Weinberge. Dabei ergab sich ein Gespräch mit einem alten Herrn, der mir voller Stolz erzählte, dass sein Neffe ein Lokal in Berlin hat, 16 Angestellte! Den Namen hatte ich schon vergessen, als ich mich verabschiedet hatte, tut mir leid. Sein einziges Problem war, wie ich die ganze Zeit ohne Frau laufen kann und wie ich denn sicher sein könne, dass die Frau zu Hause keine Dummheiten macht. Nun, da muss ich es wohl drauf ankommen lassen...
Ich hatte wieder eine Straße auf meinem Plan, die sich als gesperrt herausstellte und kam daher doch noch in den Genuss der Schnellstraße. Dabei konnte ich zwei Mal eine"galleria" genießen.
Nicht gerade angenehm, zumal die Beleuchtung im Inneren äußerst dürftig war. Wenigsten gab es einen befestigten Randstreifen, der sicher von der Fahrbahn getrennt war.
Kleiner Frühlingsgruß vom Wege, die Mandeln von vor einigen Jahren hängen noch am Baum.
Meine gestrige Unterkunft war so dicht wie möglich am Valle dei Templi, so dass ich heute nur einen knappen Kilometer laufen musste. Im Hintergrund ist Agrigento zu sehen und wenn man ganz genau hinsieht, sind links in der Mitte des Bildes einige Säulen zu sehen. Auf der gleichen Höhe bis an den rechten Bildrand reiht sich Tempel an Tempel.
Heute morgen dann das große Tempelstaunen.
Die Griechen, die Gela gegründet hatten, zogen westwärts und gründeten dabei Licata, einen Ort in der Nähe von Palma, von dem heute nichts mehr existiert und dann Akragas, eine Stadt unterhalb des heutigen Agrigento. Von dieser Stadt sind die Tempelanlagen erhalten. Die Stadt zählte in ihrer Blütezeit 200 000 Einwohner und war damit die zweitwichtigste Stadt nach Syrakus. Die Tempel entstanden auf einem Hochplateau, daher ist Tal der Tempel etwas irreführend. Wenn man es allerdings von Agrigent aus betrachtet, passt der Name schon.
Diese acht Säulen gehören zum Herkules-Tempel. Er ist der älteste der Tempel und war völlig zerstört. Alle Tempel entstanden im 5 Jahrhundert v. Chr. Die Stadt hatte unter dem Tyrannen Theron die Karthager bei Himera vernichtend geschlagen und war dadurch sehr reich geworden. Sklaven und die Kriegsbeute sowie Reparationszahlungen ließen die Bauprojekte in großem Umfang möglich erscheinen. Der Reichtum der Stadt sollte den auf dem Meer anreisenden Besucher demonstriert werden. 406 v. Chr. wurde Akragas von den Karthagern erobert und zerstört. Im Laufe der Geschichte wurde die Stadt mehrfach erobert, zerstört und wieder besiedelt. Wer genaueres wissen möchte, muss bei Wikipedia nachlesen, habe ich auch getan.
Erst in Zeiten des Klassizismus begann das Interesse an den Tempeln wieder zu erwachen. Da Griechenland Teil des Osmanischen Reiches war und nicht so leicht bereist werden konnte, sah man sich die griechischen Tempel in Italien an. Goethe, natürlich Johann Gottfried Seume und auch vorher Winkelmann, er über die Tempel eine Abhandlung schrieb. 1924 wurden die Säulen des Tempels wieder errichtet.
Der Concordiatempel ist in diesem fantastischen Zustand geblieben, weil man ihn bis ins 17. Jahrhundert als Kirche genutzt hat. Erst danach hat man ihn wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurück gebaut. Er gehört dadurch zu den am besten erhaltenen Tempeln der griechischen Antike.
Bei Wikipedia war zu lesen, dass dieser Tempel besonders exakt ausgeführt ist. Die Abweichungen in der Jochbreite betragen lediglich 5mm. Eigentlich unglaublich, oder?
Entlang des Weges zwischen den Tempeln sind auch Teile der alten Stadtmauer zu sehen, in die in späterer Zeit Grabnischen geschlagen wurden.
Der dritte und letzte Tempel auf der östlichen Seite ist der Heratempel. Auch er ist im 18. Jahrhundert wieder neu errichtet worden. Von hier aus hinter dem Tempel befindet sich ein großer Opferaltar. Hier wurde ich zum zweiten Mal von einem Regenschauer durchweicht, der dritte folgte auf dem Weg zum B&B. Ich flüchte mich in die Cafeteria, habe aber meine letzten paar Münzen für den Eintritt zusammen gekratzt. Einen Cappuccino mit Kreditkarte zu bezahlen ist nicht üblich.
Von den Stufen des Heratempels zurück zum Concordiatempel geblickt. Beide haben den gleichen Grundriss und das gleiche Säulenmaß: 6 Säulen in der Breite, 13 Säulen in der Länge, das klassische Maß.
In der Nähe des Concordiatempels befindet sich eine frühchristliche Nekropole. Die Gräber stammen aus dem 5 bis 9 Jahrhundert. Einige sind so klein, dass die Toten in Embryonalstellung begraben wurden.
Hier findet man in dem sehr weichen Kalkstein, der auch zum Bau der Tempel verwendet wurde, überall Einschlüsse von Muscheln.
Hier ein besonders großes Exemplar, deshalb mein Schuh als Vergleich. Die Schuhe sind übrigens immer noch das Paar, das ich in Grimma gekauft habe und seit Kolin ständig trage. Ecco sei Dank!
Einige der Grabstätten wurden in vorhandene Zisternen eingebettet. Der Teil ist leider abgesperrt und nicht zur Besichtigung freigegeben.
Eine Menge Steine sehen nicht mehr so aus, als ob sie mal von Menschenhand behauen, zu dem Tempel gehörten. Auf der westlichen Seite schließt sich gleich neben dem ehemaligen Stadttor der Tempel des Olympischen Zeus an. Von dem Tempel ist nichts mehr übrig außer einem riesigen Trümmerfeld. Der Tempel wurde als Steinbruch für den Bau des Hafens verwendet. Mit seinen Abmessungen von
Mit seinen Abmessungen von gut 50 mal 110 Metern gehörte er zu den größten griechischen Tempeln überhaupt. Auf dem Altar wurden 100 Stiere gleichzeitig geopfert.
Das Gebälk wurde von einer Reihe 8m großer Steinfiguren getragen, die die besiegten Karthager darstellen sollten. Der hier liegende ist eine Nachbildung, das Original gibt es weiter unten zu sehen.
Etwas weiter gen Westen folgt der Tempel von Castor und Pollux, der Dioskurentempel. Wahrscheinlich war er gar nicht den beiden geweiht, die Namen der Tempel sind recht willkürlich in späterer Zeit vergeben worden. Lediglich Zeus und Herakles sind belegt. Die Ecke ist im 19. Jahrhundert wieder errichtet worden, allerdings wurden Bauteile aus verschiedenen Epochen verwendet.
Genug der Tempel, die Natur ruft. Ganz in der Nähe des Dioskurentempels ist ein Hinweis auf die Gärten der Kolymbetra angebracht. Wieder war es Theron, der nach dem Sieg über die Karthager einen Architekten mit dem Bau eines neuen Wassersystems beauftragte, das dann in einem Becken, dem Colimbetra hier im Tal endete. Im 12. Jahrhundert wurde dieses Becken landwirtschaftlich genutzt und die Bezeichnung Garten bürgerte sich ein.
Die Gärten sind eigentlich geschlossen, teilt mir die Frau am Eingang mit. Ich setze ein trauriges Gesicht mit Hundeblick auf und nach kurzer Rücksprache mit den Männern, die hier Ausbesserungsarbeiten ausführen, darf ich eine kleine Runde gehen.
Der Park ist ein Paradiesgarten. Gleich am Eingang blüht der Rosmarin und duftet würzig trotz der Temperaturen, die nur knapp über 10°C liegen.
Durch das Tal fließt ein kleiner Bach, an der Talsohle werden vorrangig Orangen und Zitronen angepflanzt aber auch Gemüse und Bananen. Alles ist erst in letzter Zeit wieder neu belebt worden. Schöne Weg wurden angelegt, die Pflanzen mit Schildern versehen, ein Picknickplatz angelegt. Der FAI - Fondo per l'Ambiente Italiana kümmert sich um den Garten.
Das Tal wird von den Tuffsteinwänden eingefasst und reicht vom Dioskurentempel bis zum Tempel des Vulkan, den ich aber ausgelassen habe.
Eine Wasserleitung aus einem der grßen Becken
Erinnert mich an die Cava d'Ispica, nur das hier das Pflücken ausdrücklich verboten ist.
Wenn die Bananen nicht so grün gewesen wären, hätte mich das schon in Versuchung führen können.
Auf dem Weg in die Stadt kam ich am Archäologiemusem vorbei, das hier am Versammlungsplatz der Griechen, das Ekklesiasterion gebaut wurde. Dieser runde Platz diente als Volksversammlung und bot 3000 Menschen Platz (wenn ich mir die Zahl richtig gemerkt habe).
Im Innern des Museums gibt es wieder jede Scherbe zu bestaunen, die hier gefunden wurde. Wahrscheinlich ist es aber nur ein Bruchteil der Fundstücke.
In einer zentralen Halle ist einer der "Balkenträger" des Zeustempels ausgestellt. Eigentlich ist er der Einzige, der aus den Trümmern wieder zusammengesetzt wurde. An der linken Wand sind drei Köpfe dieser Figuren ausgestellt, die in einem wesentlich besseren Zustand sind.
Ein Korkmodell zeigt, wie der Tempel einmal ausgesehen hätte. Offensichtlich ist er nie fertig gestellt worden, so schreibt es zumindest Wikipedia. Auf dem Weg in die Stadt begegnet mir doch wieder die Konkurrenz:
Der Goethe bekommt eine Plakette mit Tafel von der Stadt Agrigent (1987), an Seume erinnert nichts.
Der Post sollte eigentlich schon gestern erscheinen. Als ich vom Abendessen kam, gab es keinen Internetzugang mehr. Der Herr des Hauses hatte offenbar ausgeschaltet. Heute ist Regentag in Agrigento, Zeit für die Planung der nächsten Schritte. Ich wünsche allen, die jetzt frei haben, eine schöne Woche!
Thomas