Von Recanati bis Nettuno habe ich nun Italien von Ost nach West durchquert und schnuppere wieder Seeluft. In zwei Tagen erfahrt Ihr etwas über den Ort und die Gegend. Heute gibt es etwas ganz anderes:
Essen, Rauchen und Verkehr
Na, da ist doch für jeden was dabei, oder? Ich will Euch einfach mal ein paar Eindrücke schildern, die nicht direkt etwas mit der Geschichte oder Geografie der Wanderung zu tun haben.
Dazu gibt es Bilder der italienischen Flora vom Wegesrand, die seit November entstanden sind und die nun wiederum nichts mit dem Text zu tun haben.
ESSEN:
Frühstück
Das italienische Frühstück ist hinlänglich bekannt: Zwieback, Butter, Marmelade und Gebäck, das aussieht wie ein Croissant, aber leider keines ist. Es ist eine Mischung aus Blätter- und Hefeteig, meist auch noch gefüllt. Dazu gibt es selbst in guten Hotels manchmal Automaten-Kaffee, bei dem es schade um die verschwendeten Rohstoffe ist. In Rom gab es Orangenbäume sogar als Straßenbäume; zum Frühstück bekommt man einen roten Orangensaft, der 30% Fruchtsaft enthält.
Offensichtlich muss man da dann doch tiefer in die Tasche greifen und auf den vierten Stern achten. Dann gibt es auch richtigen Saft, Schinken und Käse. In Castel Gandolfo und in meiner Frost-Locanda gab es drei verschiedene Käselaiber. In Senegallia sogar Büffeljoghurt und eine Bio-Ecke. Im Hotel in Rom lag Scheiblettenkäse auf dem Buffet, diese blassen, einzeln verpackten Scheiben festgewordener Schmelzkäse. Ich dachte, den hätten die schon verboten. Meine Schwester hat mir erzählt, dass Italien der größte Bio-Produzent Europas ist. Davon ist nicht viel zu sehen.
Abendessen: Gegessen wird nicht vor halb 8, gestern gar erst um 20.15 Uhr. Zu Hause bin ich gegen 17.00Uhr damit durch, wahrlich eine Umstellung. Das italienische Essen war einer der Gründe, warum ich durch Italien wandere und nicht durch Griechenland. Bis jetzt war das Essen entweder schlecht oder teuer oder schlecht und teuer. In Grado habe ich für eine recht nüchterne Fischsuppe und einen gemischten Fischteller, dazu einen halben Liter Hauswein und Wasser 53€ bezahlt. Der Teller bestand im Wesentlichen aus frittiertem Tintenfisch und einigen dünnen kleinen Fischen, an denen nichts dran war. In Rom muss ich dreimal in die echten Tourifallen geraten sein, jedes Mal viel zu viel bezahlt für unterdurchschnittliches Kantinenessen. Bisher gab es zwei, drei Ausnahmen von der enttäuschenden Regel.
Passionsblüte und Früchte am selben Zaun im November in Acquilea
Rauchen: Ich gehe in mein drittes rauchfreies Jahr, nur damit da keine Missverständnisse aufkommen. Die Italiener rauchen viel und überall wo sie können. Ich hätte nie gedacht, dass tatsächlich Bars, Caffees und Restaurants komplett rauchfrei sind. Dafür rauchen sie auf der Straße und gerne auch beim Autofahren.
Eine ganze Hecke aus Feuerdorn.
Die Italiener telefonieren. Sie telefonieren viel, sie telefonieren laut. Gern auch mal beim Frühstück mitten im Frühstücksraum. Dabei muss dann auch noch der Fernseher übertönt werden. Mit Vorliebe wird beim Autofahren telefoniert. In der einen Hand das Handy, in der anderen die Zigarette und dann mit beiden Händen gestikulieren.
Italiener sind laut. Wenn jemand morgens um halb 7 das Hotel verlassen muss, um seinen Flug zu erreichen, weiß das zumindest die Etage, auf der er genächtigt hat. Türklinken sind für andere da und auf dem Flur wird erst einmal telefoniert, leider ist hier der Empfang so schlecht.
Italiener sind modebewußt. Auf jeden Fall zieht man und frau sich schick an, wenn man am Samstag oder Sonntag flaniert. Eigentlich wird schon viel Wert auf die Kleidung gelegt. Wenn auch die Herren hier gerade gezwungen werden, glänzende Steppjacken in gräßlichen Farben zu tragen.
In jedem Hotel, ausnahmslos, läuft in der Halle, beim Frühstück und beim Abendessen im Restaurant in irgendeiner Ecke ein Fernseher. Nachdem ich einige Male am Abend den Fernseher anhatte und versucht habe, das Programm zu verstehen, kommt mir RTL dagegen wie ARTE vor. Hier gibt es Showformate, die wahrscheinlich in 5 Jahren auch bei uns sendefähig sind. Die sind so schlecht, dass ich teilweise gedacht habe: Das meinen die jetzt nicht ernst, das ist eine großangelegte Satire. Eine Sonntagssendung am 2. oder 3. Advent war eine Mischung aus stern-tv (allerdings mit einer leichtbekleideten Moderatorin) und sportstudio. Zwischen den Interviews schaltete die Dame dann in die Stadien, in denen die Reporter "lustige" Hüte aufhatten, denn zwischendurch gab es immer mal Feuerwerk, 2010 wurde eingeblendet und das Publikum machte eine Polonaise. Ich habe fast eine Stunde kopfschüttelnd zugesehen und versucht zu ergründen, was das soll.
Die Italiener hupen (eben nicht) beim Autofahren. Eigentlich fand ich die Autofahrer hier bisher sehr angenehm (im Vergleich). Im Allgemeinen ist man recht rücksichtsvoll mit mir umgegangen, ohne zu hupen. Ich laufe ja meist Landstraße und sehe dabei den Autofahrern ins Gesicht um sicher zu gehen, dass sie mich erblickt haben. Dabei sind mir folgende Dinge aufgefallen:
Kumquats
Gut die Hälfte der Autofahrer schnallt sich nicht an. Kinder sitzen auf dem Beifahrersitz oder dem Schoß des Fahrers oder stehen hinten zwischen den Sitzen. Hunde werden auch gern auf den Schoß genommen oder sitzen neben dem Fahrer. Es gibt auch in Italien die Gurtpflicht.
Die meisten Italiener telefonieren im Auto und haben das Handy dabei in der Hand. Die Kirsche auf dem Kosakenzipfel war eine Frau, die mir in den Bergen entgegenkam. Die rechte Hand mit der Zigarette am Steuer und die linke mit dem Handy am rechten Ohr. Telefonieren beim Autofahren ist auch hier nur mit Freisprecheinrichtung erlaubt.
Vorher - Nachher
Rom ist dreckig. Ich habe beim letzten Mal im Zentrum gewohnt, 200m vom Petersplatz entfernt, wir sind auch nur im Zentrum und in Trastevere unterwegs gewesen. Ich habe Rom nicht so verlottert in Erinnerung. Ich meine nicht das Alte, etwas Morbide, Verfallene, was man ja in Italien auch erwartet. Ich meine die Nachlässigkeit und fehlende Bereitschaft, zu erhalten und zu warten. Die Züge des Nahverkehrs und der Straßenbahnen sind beschmiert. Überhaupt habe ich außer Berlin keine so stark beschmierte Stadt bisher gesehen. Papier und Dreck liegen rum, Gehwege und Anlagen sind in keinem guten Zustand, die U-Bahn hat provisorisch abgetrennte Bereiche, bei denen die Provisorien schon fast Denkmalschutz verdienen.
So - einige Klischees bedient und einiges von der Leber geschrieben. Kann man so etwas machen? Ich finde schon. Natürlich ist das nur mein beschränkter, subjektiver Blick und in Rom gibt es hunderte Lokale, in denen man exellent und preiswert speisen kann, gar keine Frage. Und wer schon mal am Sonntagmorgen den U-Bahnhof Eberswalder Straße benutzten musste, den schreckt eigentlich auch nichts mehr.
Aber ich finde, auch das gehört dazu, wenn ein Gesamtbild entstehen soll. Dazu gehört eben auch die wilde Müllkippe heute und der nervige Straßenverkehr gestern.
Bis zum Samstag wird gewandert, ich komme bis Terracina. Sonntag ist frei und das Wochenende darauf bin ich schon auf Sizilien. So schnell kann es gehen.
Ich melde mich übermorgen.
Schönen Abend! Thomas
P.S. Was kostet bei uns ein Kilogramm italienische Clementinen zur Zeit?
4 Kommentare:
Lieber Thomas,
ich habe in den letzten Minuten herzlich über deine Schilderungen gelacht und würde dich spontan zu einem leckeren Frühstück einladen mit einem Kaffee und Brötchen und allem, was dazu gehört...ich hoffe, dass sich ein Verlag für deine Veröffentlichungen interessiert in deinem phantastischen Humor.
lieben Gruß aus der verschneiten Heimat
Bine
Lieber Thomas, es gbt noch Zeichen und Wunder und noch andere Schreiber,toll.
Ich habe nicht gelacht,und daran gedacht, dass wir in Sizilien hervorragende Halbpension hatten und totzdem für kleine Speisen und Getränke reichlich Geld ausgegeben haben, allerdings waren wir immer zufrieden.Vielleicht wird es jetzt gen Süden besser.Ich glaube, wir haben vor allem marokanische Clementinen, die sind preiswert, die Kiste kostet 3 bis 4 Euro.Jedenfalls gab es dieses Jahr eine gute ERnte, habe ich gelesen, und Apfelsinen und Clementinen sind preiswert, schaue morgen mal genauer hin.
Aber gut,dass du mal so einen Rundumschlag getan hast. Wir dachten du lebst wie die Made im Speck und bekommst alles geschenkt.Nein,mein Lieber,ich ahnte schon,dass vieles aus der Ferne einfacher ausssieht als es ist.
Dafür hast du aber diese wunderbaren Eindrücke -auch deine Flora-Bilder sind wunderschön-und hast uns allen seit Monaten fast täglich eine faszinierende Unterhaltung geboten.Dafür hast du am Ende nicht nur ein leckeres Frühstück verdient. Ich denke, wir werden dich schon verwöhnen.
Liebe Grüße Uta
... dass Uta recht hat, es sind noch andere Schreiber "unterwegs"!
Leider muss ich erstmal meinen Tag-Nacht-Lebenszyklus wieder normalisieren *grins*!
Nach meiner Suche zur "Preisfrage" folgende Infos:
ein Lieferserdienst macht folgendes Angebot:
ital. Clementinen klein für 1,99 EUR/kg
ital. Clementinen groß für 2,35 EUR/kg
die Supermarktkette, die im "wirklichen" Leben steht:
ital. Clementinen 0,99 EUR/kg
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nebenbei gelernt:
C. mit Blatt = von der Ernte auf den Tisch
C. ohne Blatt = in speziellen Häusern zur Reife gebracht und dann auf den Tisch
hat natürlich Auswirkungen auf den Geschmack und die Farbe!
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Du siehst hoffentlich den Seiteneffekt Thommi:
Wer sich auf dich einlässt, lernt fürs Leben!
Gruß Imi
Schöööööööööön ... diese Bilder und lehrreich mal wieder die Landeskunde. Und nein, lieber Thomas, so subjektiv sind deine Beobachtungen wohl nicht. Im Novembermagazin schreibt eine seit fünf Jahren in Dtl. lebende waschechte Sizilianerin Ähnliches über ihr Land. ("... es gibt dort tausend Regeln, aber wenige halten sich daran." oder "Andererseits lassen wir die Sehenswürdigkeiten dieser Geschichte verrotten.")
Das mit dem Fernsehen ging mir in Spanien immer genauso! Absolut inakzeptabel und ich hab mich immer verarscht gefühlt und dachte auch nie, dass die das ernst meinen. Wer sieht sich sowas an? In den Haushalten von Júlias Familie und Freunden hatte ich allerdings auch noch niemals einen Fernseher laufen sehen. Die standen immer nur so rum als Deko wahrscheinlich. Dass das in Italien nicht so ist und die sich das Zeug wirklich reinziehen, ist schon erschreckend.
Dass du es bei den Preisen für so grauenhaftes Kantinenessen schon so weit geschafft hast ohne zu verhungern, ist auch mal einen Applaus wert.
So und heute kaufe ich mir ein paar Clementinen, nachdem mir hier der Mund so wässrig gemacht wurde.
Am Wochenende soll uns ja eine ordentliche Schneedecke erwarten. Der Hausmeister war nun schon zum dritten Mal bei mir, seit ich hier wohne, um meine Heizung durchzupusten, weil sie zur Hälfte kalt bleibt und immer Luft drin ist. Da wird einem bei deinen Novemberbilder doch richtig warm ums Herz! ^^
Liebe Grüße auch von mir
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