Donnerstag, 18. März 2010

Via Francigena

Bilderbuch-Toskana, Postkartenmotive alle hundert Meter, ich bin froh, dass ich angekommen bin.

Mein leichtes Formtief war am nächsten Morgen auch dank des leckeren Buffets verschwunden. Zwei Tage Wanderung auf der Via Francigena lagen vor mir.


Die Schnellstraße Via Cassia wurde überquert und auf der kleinen Straße hinten rechts zwischen den Gebäuden ging es los. Alle 10 bis 15 min mal ein Auto, ansonsten hatte ich die Straße für mich allein. Von der Via Cassia blieb schon nach einigen Minuten nur ein leises Rauschen übrig.

Bereits seit ich in der Toskana bin, ist der Anteil der Ackerfläche verschwindend gering. Wiesen und Weiden, Wein natürlich und auch Oliven prägen die Landschaft hier.
Gleich von Anfang an gibt es Bilder wie aus dem Hochglanzkalender. Ich habe heute nur 20 km vor mir, kann mir also Zeit lassen und mit allen Sinnen genießen. Zählt massiver Vogelsang eigentlich auch als Lärmbelästigung? Heute zumindest war ich mehr als einmal kurz davor laut zu rufen, sie sollen ihren Schnabel halten.

Die Via Francigena ist eigentlich ganz ordentlich ausgeschildert. Am häufigsten wird dieser gelbe Pellegrino verwendet. Leider ist man bei den Pfeilen nicht so konsequent und manche ältere Markierungen mit Farbe kann man eher ahnen als sehen.

Blick zurück: Meine Straße, die Ex-Via Cassia schlängelt sich gemütlich von Gut zu Gut, im Hintergrund ist die neue Via Cassia aufgeständert. Seume könnte meine Strecke durchaus gegangen sein, auf seinem Weg nach Siena.

Die Flechten an den Bäumen und Sträuchern sind von einem fast unecht wirkenden Gelb. Die Blüten gehören zu einem Strauch, der über und über mit kleinen Knospen bedeckt ist, die an günstigen Stellen schon weiß blühen.

In Torrenieri steht auf einem Pfeiler vor einer kleinen Kirche aus dem 10. Jahrhundert dieses Pilgerdenkmal. Füße hoch, tolle Idee!

Der Weg besteht hauptsächlich aus festgefahrenen Feldwegen, auf denen ich von Hügel zu Hügel wandere. Die Güter, die meist etwas abseits des Hauptweges liegen, sind große Gebäude, die sehr gediegen aussehen.

Ich könnte stundenlang den Himmel über diesen sanften Hügeln fotografieren.
Wenn dann noch Licht und Schatten auf den Wiesen dazu kommen, gibt es für mich kein Halten mehr. Es ist fast so schlimm wie am Meer.

Nachdem ich vorgestern aus dem Bus zwei Wildschweine gesehen habe und am Straßenrand mindestens zweimal täglich Stacheln von Stachelschweinen liegen, fand ich diese Mini-Schweinerei ganz niedlich.

Den Ort Montosoli habe ich fast den ganzen Tag an meiner Seite. Nur langsam komme ich an dem Berg vorbei.

Mein gestriges Ziel heißt Buonconvento. Wie der Name schon sagt, war der Ort immer ein wichtiger Quartiergeber auf der Via Francigena.

Besonders apart finde ich diese kleinen blauen Blüten, die deutlich kleiner als ein 1-Cent-Stück sind. Als Bodendecker färben sie den Wegesrand leuchtend blau.

Die Blüten sind auch nicht gleich blau, einige sind fast weiß mit leichter Blaufärbung, während andere kräftig gefärbt sind.

Buonconvento gehört wieder zu den schönsten Altstädten Italiens. Leider führt mein Wanderweg nicht bis in die Stadt. Ich muss noch knapp 3 km Schnellstraße treten, bis ich hier ankomme. Dieser Teil ist noch nicht die Altstadt aber gleichermaßen schön und sorgfältig gepflegt.

Im Mittelalter bildete die VF die Hauptachse des Ortes, verlief also genau von Nord nach Süd mitten hindurch. In der Stadt sind Informationstafeln über die Straße, weitere Pilgerwege in Europa und Sehenswertes religiöser und weltlicher Art aufgestellt.

So weiß ich jetzt, dass die VF südlich von Rom bis nach Bari weiterführt und von dort per Schiff bis nach Jerusalem gepilgert wurde. Der Erzbischof von Canterbury hat bei seiner Rückkehr aus Rom von 990 bis 994 sehr genau den Verlauf der Straße und die Orte am Wege beschrieben.

Buonconvento war aber nicht nur gastliche Stätte sondern auch militärischer Vorposten der Herren von Siena.

Heute nun mein zweiter VF-Tag. Da heute mehr als 30km vor mir liegen und der Weg nicht so einfach zu finden ist, bin ich etwas früher unterwegs. Es ist diesig und frisch, klart aber im Laufe des Tages auf.

Der Wegweiser zeigt nicht nur nach Rom sondern auch das ganze Dilemma. Ich wandere in die falsche Richtung! Wenn ich nach Rom wandern würde, hätte ich mit den Markierungen kein Problem. So zeigt auch an Wegkreuzungen der Pfeil immer nur in die Richtung, aus der ich komme. Aus welcher Richtung kamen aber die Pilger bis zu diesem Wgweiser? Manchmal bleibt nur Versuch-Irrtum als Methode. Wenn es sich dann schnell aufklärt, ist das auch kein Problem.

Heute liegen am Wege einige Kastelle und eine mächtige Villa aus dem 12. Jahrhundert. In der Ferne sind auch einige Klöster zu sehen. Dieses Castello ist in Wohnungen aufgeteilt worden.

Auch heute wieder: Licht und Schatten, Wiesen und Himmel.

Dann, gegen Mittag taucht plötzlich das erste Mal Siena am Horizont auf. Den Rest des Tages gehe ich fast immer mit dem Blick auf die Stadt.

Der Weg heute ist über weite Strecken lehmiger, nasser Boden, der von den schweren Landmaschinen ordentlich durchgewalkt wurde. Dort, wo er schon trocken ist, stolpere ich über eine steinharte Buckelpiste. Wo er noch feucht ist, schliddere ich im Matsch umher. In den nächsten Tage ist also wieder komplette Wäsche angesagt.

Etwa 6 km vor Siena finde ich nur in eine Richtung die Markierungen und gehe ihnen bis zum Ort Isola d'Abria nach. Hier hört alles auf und ich frage fünf verschiedene Leute nach dem weiteren Verlauf der VF. Alle schütteln nur den Kopf. Keine 10m weiter leuchtet die Markierung vom Laternenpfahl, nur eben in die falsche Richtung. Also gut, in 2km Entfernung hätte ich sowieso die Straße queren müssen, da steige ich dann wieder ein.
Der Verkehr nervt umso mehr, wenn man weiß, dass man ohne ihn wandern könnte. An der besagten Stelle ist zwar ein großer Wegweiser in Richtung Rom, aber auf der anderen Seite ist nicht einmal die Straße da, in die ich einbiegen soll. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als auf der Via Cassia nach Siena zu laufen.
Hier habe ich ein kleines Appartement direkt hinter dem Palazzo Pubblico und bleibe vier Nächte. Am Samstag gibt es dann Bilder aus der Stadt und am Sonntag einen Bericht vom Tage, lasst Euch überraschen.
Euch bis dahin frühlingshafte Tage!
Thomas

3 Kommentare:

Uta hat gesagt…

Hallo Thomas,typisch Mann,wenn das Essen gut ist, dann läuft es. Es gib ja noch mehr Sprüche darüber!!!Schön , diese Toscana und natürlich auch deine Bilder-aber das sind wir von dir gewöhnt oder mehr noch verwöhnt.
Etwas bedenklich finde ich ja deine Aversion gegen Vogelgezwitscher, was soll dann erst im September werden?
Es geht dir wieder gut und die neuesten Bedrohungen haben dich auch nicht erwischt-die Wildschweine,die sind echt gefährlich.
Ich finde das Pilgerdenkmal auch sehr lustig, aber ein bißchen sieht es so aus, als ob die unter
einer Schlafdecke hervorschauen- es fehlt nur das zweite Paar Füße!Na, das trifft ja auf dich nicht zu!!!
Ich hoffe, du hast die Füße jetzt hoch liegen und schläfst deinen Tagen in Siena entgegen.
Liebe Grüße Uta

Unknown hat gesagt…

Unendliche Weiten, sanfte Hügel, grüne Wiesen, blauer Himmel ... die Bilder erinnern mich teilweise stark an Catalunya. Dieses Jahr werde ich das erste Mal seit sechs Jahren zu Ostern nicht in Barcelona sein. Das ist ein komisches Gefühl.
Zu deinem Vogelproblem hat Stefan Schwarz mal eine nette Kolumne im Magazin geschrieben nach dem Motto: Auch Bio-Lärm ist Lärm. "Die 100 Dezibel, die ein Amselmännchen aus sich herauspresst [...] erreichen sonst nur Heavy-Metal-Konzerte oder Hammerschmieden. [...] Das Amselmännchen tut das angeblich um sein Revier zu markieren, was nur zeigt, dass Amselhähne irrinnig überzogene Vorstellungen von den Ausmaßen ihres Reviers haben. Das wohnzimmergroße Amselrevier lässt sich problemlos auch weniger bombastisch verteidigen. Zum Beispiel mit Handzeichen ..."
Nun ja, wenn sie nicht gerade rufenderweise ihr Revier markieren, dann singen sie allerdings soooooo schön die Amseln, dass es gesangstechnisch mein absoluter Liebelingsvogel ist. Ich hab ja den Hof am Schlafzimmer auch voller Bäume und was da sonst noch an Gefiepe und Gezirpe und Gezwitscher abgeht, dass spart mir auch oft jeden Wecker und stellt meine Liebe zur Natur auf eine harte Probe. ;-)
Bei mir schlägt gerade die Frühjahrsmüdigkeit voll zu. Es ist nachmittags um halb fünf und ich leg mich jetzt hin, weil ich meine Augen kaum noch offen halten kann. Wo nimmst du bloß die viele Energie zum Wandern her, mein lieber Thomas?!
Am Dienstag darf ich Uta mein kaputtes Bild zum Reparieren mitbringen. Ich schäme mich allerdings so sehr dafür, da ich hoffe, sie schaut nicht hin, wenn sie drüber malt. Selbst der unbegabteste Schüler hätte von ihr dafür maximal aus Mitleid eine 5- bekommen.
Weiterhin traumhaft schöne Landschaften wünsche ich dir!
Liebe Grüße Petra

cdiet004 hat gesagt…

Lieber Thomas, da bist du also wieder frohen Mutes unterwegs, ein Glück für dich und für uns alle!
Am Donnerstag Abend haben wir, der kleine Monteverein, bei einem köstlichen Mahl dir und deiner Reise gedacht! Ich habe laut Auftrag alle Anwesenden gegrüßt und soll natürlich zurück grüßen, was ich hiermit tue! Vieleicht schaut der eine oder andere auch mal hier rein.
Ich "erwarte dich" dann wieder am Samstag in alter Frische, liebe Grüße von Claudia