Donnerstag, 1. April 2010

Pisa


Die Leute legen hier ein seltsames Verhalten an den Tag: Sie halten die Hände in die Luft und lassen sich dabei fotografieren. Nicht etwa nur diese eine Frau sondern Dutzende! Nun ja, wenn es Spaß macht...

Vorgestern waren es noch gut 36km bis Pisa, die ich gemächlich auf zwei Tage verteilte. Dadurch hatte ich den gestrigen Nachmittag schon hier zu einer ersten Besichtigungsrunde.
Der Weg führte auf schmalen Straßen von Gehöft zu Gehöft am Fuße der Berge entlang. Ab und zu war die Hauptstraße zu hören und ich war froh, nicht dort unterwegs sein zu müssen.
Sind die nicht einfach herrlich?! Mein gestriges Hotel war in mehrere Hinsicht eine Überraschung. Ich hatte es ja nur aufgrund der Nähe zu Pisa herausgesucht. Der Chef des Hotels war einer der wenige Italiener, der sich richtig für meine Wanderung begeistern konnte. Die meisten sind eher fassungslos und die häufigste Frage, die ich dann höre, ist: "Perché? - Warum?" Er ließ sich nach dem von ihm hervorragend zubereiteten Abendbrot genau erzählen, wie und wo ich unterwegs war.


Im Gespräch stellte sich heraus, dass er ein echter Buonarotti ist, ein direkter Nachfahre des Großneffen von Michelangelo Buonarotti, der in Florenz die Casa Bunarotti eingerichtet hatte um das Werk seines Großonkels zu bewahren. Er bot mir gestern früh beim Start an, am Sonntag nach Florenz zu kommen und dort eine private Führung durch die Casa und das Archiv zu bekommen. Ich habe spontan zugesagt und in Lucca eine zusätzliche Nacht gebucht.



Der Weg nach Pisa war kurz und wenig aufregend. Der Steinbruch hier erinnert mich daran, dass Carrara ja auch noch auf der Strecke liegt.


Kurz vor Pisa bin ich ein ganz kurzes Stück auf dem Deich am Arno unterwegs. Hätte man den Weg die ganze Zeit gehen können, wäre ich erst halb so weit. Der Fluß mäandert über die Maßen durch die Lande. Wenn ich mich an dieser Stelle umdrehe,

habe ich diese Sicht. Das nenne ich gute Verkehrsanbindung...

Ich war vor mehr als 10 Jahren in Pisa und kann mich eigentlich nur noch an zwei Dinge erinnern. Eines davon ist natürlich die Piazza dei Miracoli, das andere ein Wandbild von Keith Haring. Ab hier fließt der Arno noch knapp 20km, dann ist das Meer erreicht.
Pisa hat 84.000 Einwohner, davon sind 40.000 Studenten. Das bedeutet einerseits eine junge dynamische Stadt mit studentischem Flair; andererseits ist in den Semesterferien auf dem Bostoner Zentralfriedhof mehr los. Wenn nicht die Touristen wären...

Die meisten Touristen fallen auch nur aus dem Bus und besuchen Dom, Turm, Baptisterium und Camposanto. Schon in den Nebenstraßen ist relative Ruhe. Hier ist aber schon zu merken, dass Teile Deutschlands schon in den Osterferien sind. Die Überreste der römischen Therme werden von einer Familie mit drei Kindern besichtigt, denen der Vater aus dem Reiseführer vorliest. Nicht einmal die Frau hört zu...
Da sind also die Hauptattraktionen! Durch die Verkleidung mit weißem Marmor wirkt alles wie aus einem Guss. Der Dom ist die erste dergroßen Kirchen in der Toskana gewesen und diente Florenz und Siena als Vorbild. Der Sieg über die Sarazenen brachte fette Beute und man begann mit dem Dom um 1064, so sagen zumindest einige.
Das Baptisterium ist die größte Taufkirche der christlichen Kirche. Im 12. Jahrhundert romanisch begonnen, gab es bald einen Baustopp, weil das Geld fehlte. Gut hundert Jahre später wurde dann gotisch vollendet. Außerdem ist es ein Bau mit einer beeindruckenden Akkustik. Beim letzten Mal hat einer der Wächter einige Töne gesungen und es war ein beeindruckender Klang.

Von der Galerie gibt es einen schönen Blick auf das achteckige Taufbecken.
Beim letzten Besuch war der Turm für Besucher gesperrt. Seit einigen Jahren ist er wieder zu besteigen, was ein etwas schräges Erlebnis ist, im wahrsten Wortsinne. Auf dem Foto kann man gut den Knick nach der dritten Etage erkennen.

Maximal 40 Leute dürfen für 20 min die 55m hinaufsteigen, wenn sie dafür 15€ berappt haben. Alle anderen Bauwerke kosten inklusive zweier Museen nur 10€.Die Stufen sind natürlich ebenfalls geneigt, wenn sie auch in der Mitte so stark ausgetreten sind, dass man da die Neigung nicht so wahrnimmt. Aber durch die Wendeltreppe neigen sich die Wände mal zu der einen, mal zu der anderen Seite, dazu noch der Kreisverkehr - schon ein komisches Gefühl. Zum Glück ist die Treppe so eng, dass man sich mit beiden Händen an den Wänden abstützen kann.

Ein Blick auf Dom und Baptisterium, hinter dem Dom sind Camposanto und Stadtmauer zu erkennen.Auf dem Turm sind in der ersten Etage die Fenster mit Netzen verhängt, welche Enttäuschung. Ich fotografiere so gut es geht durch die Maschen. Es dauert eine Weile bis ich merke, dass man noch zwei Etagen höher steigen kann.

An den Glocken sieht man rechts und links je zwei Handgriffe. Das bedeutet wohl, dass die damals von Hand geschwungen wurden, ganz ohne Gehörschutz?!Da im Dom noch Gottesdienst ist, gehe ich als nächstes den Camposanto besichtigen. Diese Begräbnisstätte wird zu meiner Überraschung noch heute genutzt. Die neueste Grabplatte war von 2009. Allerdings werden nur verdiente Persönlichkeiten hier beigesetzt.

Im Krieg wurde das Gebäude durch Bomben der Alliierten stark beschädigt und ein Teil der riesigen und fantastischen Fresken wurde dabei zerstört.
Diese Gänge waren mit den herrlichen Fresken ausgekleidet. Als nach dem Krieg die Reste der Fresken abgenommen wurden, um sie zu restaurieren, kamen die Vorzeichnungen, die Sinopien, zum Vorschein. Die Sinopien sind auf der anderen Seite des Platzes in einem eigenen Museum ausgestellt.

Neben Galileo Galilei, der streng genommen in der Nähe von Pisa und nicht hier in der Stadt geboren wurde, ist Leonardo Fibunacci einer der bekanntesten Söhne der Stadt. Außer den Straßennamen ist dieses Standbild der erste Hinweis auf die Beiden.
Auf der Galerie des Baptisteriums sind die Fenster alle mit einem feinmaschigen Gitter versehen. Nur hier genau gegenüber des Domes hat man ein kleines Loch hineingeschnitten, damit die Fotosüchtigen diesen perfekten Ausblick festhalten können.

Als ich um den Dom herum gehe, fällt mir eine Vielzahl unterschiedlicher Farbtöne des Marmors auf. Die Steine sind unregelmäßig groß, einige sind mit Inschriften oder Ornamenten versehen. Ich lese dann, dass man das Baumaterial von überall heran holte, zum Teil aus eroberten Städten. Einige Teile sehen aus wie römische Grabplatten.

Der Bau ist zwar in der Romanik begonnen worden, die Kuppel ist aber erst fast 200 Jahre nach der Weihe der Kirche im gotischen Stil aufgesetzt worden. Am Ende des 16. Jahrhunderts brannte die Kirche aus und sie wurde dann zu Beginn des 17. Jahrhunderts neu gestaltet. Dazu gehört auch die vergoldete Kassettendecke mit dem Wappen der Medici in der Mitte.


Altartisch und Pult sind neue Werke aus Marmor, die wunderbare Kanzel von Pisano ließ sich leider nicht von mir fotografieren. Dazu ist mein Objektiv zu lichtschwach, ohne Stativ ist da nichts zu machen.

Soviel zu der Piazza dei Miracoli. Ich habe mich heute Nachmittag natürlich auch noch im Rest der Stadt umgesehen.


Eine nette Politesse war mit dem Radl da...


Diese Kirche hat einen sehr seltsamen Platz. Das kleine Kirchlein wurde für einen Dorn aus der Dornenkrone errichtet und heißt deshalb auch Santa Maria della Spina. Eigentlich war die Kirche direkt auf dem Ufer des Arno errichtet und litt natürlich regelmäßig unter den Überflutungen. Als das Ufer generell neu gestaltet wurde, hat man die Kirche Stück für Stück abgetragen und oben wieder neu errichtet. Mit dem Straßenverkehr hat damals natürlich noch niemand gerechnet.

Auf einer Brandmauer eines Nebengebäudes des Konventes Sant'Antonio Abate hat Keith Haring im Jahre 1989 ein Wandbild mit dem Titel "Tuttomondo" -Die ganze Welt, geschaffen.

Morgen also nach Lucca und dann gehe ich an die Küste. Dort wandere ich dann direkt nach Norden. Ich schreibe Euch aus Lucca, wahrscheinlich übermorgen.
Heute ist zweimal zwischendurch das Internet ausgefallen und ich musste Teile doppelt schreiben.
Schöne Ferien! Thomas

4 Kommentare:

wimwanderer hat gesagt…

Hallo Thomas,
und wieder gute Fotos und der gewohnt witzige Text aus Pisa und Umgebung.
Aber wenn Du uns von 36 Fotos 6 von " Händehoch-Haltenden" servierst, dann bemühe Dich bitte um die Erklärung. Mache Dich schlau! Nach so umfangreichen bisherigen Erläuterungen, wird es Dir ein leichtes sein, uns aufzuklären.
Weiter guten Weg,
Pa

Uta hat gesagt…

Lieber Thomas,such dir eines der aufgezählten Eigenschaftswörter für deine Bilder aus.Obwohl wir heute einen sonnigen Karfreitag haben,möchte ich auch gleich wieder weg,wenn ich deinen Post betrachte.Er weckt ganz viel Sehnsucht.
Beim ersten Bild dachte ich,ah, Thomas hat ein Sportfest endeckt, wirklich merkwürdig das "Salve"?
Ich habe gestern Abend deinen neuesten Beitrag verpasst, weil wir mit unseren Nachbarn ein großes Osterfeuer auf dem Feld hinterm Haus veranstaltet haben,alle bösen Geister sind nun fort,die letzten wurden im Alkohol ertränkt.Wir hoffen nun .das alles besser wird!
Dir wünsche ich ein sonniges Osterfest mit ganz viel Blumen am Wegesrand statt Ostereier und viele schöne Entdeckungen.
Liebe Grüße Uta

Unknown hat gesagt…

...
1. nun habe doch mal Verständnis/Nachsicht bei den "Touris", nicht jeder kann es sich leisten, "genüsslich" durch die italienische Landschaft und Geschichte zu "schlendern", da kommt es schon mal zu Auswüchsen grins!!
2. jetzt müsste man mal untersuchen (oder als Auflösung gesagt bekommen!), in welcher Postion zum "Schiefen Turm" die Leute mit den erhobenen Händen standen, dann sind es vermutlich diejenigen, die in den Fotoalben zu Hause den Turm stützen oder ähnliche Aktivitäten entfalten - wie das Internet zeigt, sind die Menschen ja in diesem Zusammenhang sehr einfallsreich!!!

Imi

thmsgrf hat gesagt…

Imi hat natürlich Recht: Man kann zwei Gruppen von Touristen unterscheiden. Die erste Gruppe der lieben Helferlein versucht den Turm zu stützen und die zweite Gruppe tut so, als hätten sie den Turm in Schieflage gebracht. Soviel zu der Auflösung mein lieber Wim.Wanderer! Thomas